Die Reise unserer Gene by Thomas Trappe

Die Reise unserer Gene by Thomas Trappe

Autor:Thomas Trappe
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Ullstein eBooks
veröffentlicht: 2019-02-04T16:00:00+00:00


16 Ein bronzezeitliches Fresko von der Vulkaninsel Santorin zeigt eine Schiffsprozession der Minoer. Sie lebten vor allem auf Kreta. Mit der Kultur der Minoer verschwand auch ihre Sprache.

Kein Slawisch in Großbritannien

Um die Frage zu beantworten, was die Menschen in Europa sprachen, bevor das Indoeuropäische sich durchsetzte, lohnt ein Blick auf das Paläosardo und die Sarden, die als einzige Population in Europa zu fast hundert Prozent genetische Nachfahren anatolischer Ackerbauern sind. Da sich in ihren Genen nahezu keine Jäger-und-Sammler-Komponente findet, ist das ein deutliches Zeichen dafür, dass auf der Mittelmeerinsel vor der anatolischen Einwanderung niemand oder kaum jemand lebte. Ein Vorfahre des Paläosardo, das wohl bis vor zweitausend Jahren noch auf Sardinien gesprochen wurde, dürfte damit vor 8000 Jahren aus Anatolien nach Europa gelangt sein. Allerdings lässt sich daraus nicht schließen, ob sämtliche Sprachen, die während des Neolithikums in Europa gesprochen wurden, vor 8000 Jahren hierherkamen, oder ob sich auch Sprachen von Jägern und Sammlern hielten. Es ist jedoch kaum anzunehmen, dass die Anatolier sich kommunikativ an den Jägern und Sammlern ausrichteten, also die Sprache einer in ihren Augen wahrscheinlich unterlegenen Kultur annahmen. Auch alle historischen und zeitgenössischen Erfahrungen sprechen gegen ein solches Szenario. Unabhängig davon könnten die Jäger und Sammler in ihren Parallelgesellschaften die eigene Sprache beibehalten haben.

So wird im Baskischen gelegentlich ein Überbleibsel aus der Zeit der europäischen Jäger und Sammler gesehen. Die genetischen Daten bekräftigen diese These jedoch nicht. Die Basken haben zwar tatsächlich mehr Jäger-und-Sammler-DNA als Mitteleuropäer, es dominieren aber die Ackerbauern- und die Steppenanteile deutlich. Auch genetische Analysen von frühen baskischen Bauern zeigen einen sehr hohen Anteil anatolischer Gene, einen höheren sogar als bei heutigen Bewohnern der Region. Alles deutet also darauf hin, dass Baskisch, Paläosardo, Minoisch und Etruskisch tatsächlich im Zuge der neolithischen Revolution nach Europa kamen. Wie viele Sprachen von den Europäern in der Vergangenheit gesprochen wurden, wird der Nachwelt aber für immer verborgen bleiben.

Was aber spricht eigentlich dagegen, dass die anatolischen Ackerbauern das Indoeuropäische mitbrachten? Es wäre ganz einfach unlogisch. Da vor 5000 Jahren eine weitere Einwanderung stattfand, wäre dann die Frage zu beantworten, welche Sprache mit dieser späteren Migration nach Westen gelangt sein soll. Manche Verfechter des anatolischen Ursprungs des Indoeuropäischen sagen, es könnte das Slawische gewesen sein, ein Zweig der indoeuropäischen Sprachen. Nach diesem Szenario hätte sich vor 8000 Jahren das Indoeuropäische aus Anatolien sowohl in Richtung Westen nach Europa ausgebreitet als auch Richtung Norden in die pontische Steppe. Während sich im Neolithikum in Europa indoeuropäische Sprachzweige ausbildeten, so die Vermutung, entstand in der Steppe parallel das Slawische und kam dann vor 5000 Jahren nach Europa. Das allerdings passt so gar nicht zu dem Befund, dass die Steppeneinwanderer im heutigen Großbritannien 90 Prozent der einheimischen Bevölkerung verdrängten. Von slawischen Einflüssen auf die Sprachen der Insel ist heute jedoch nichts bekannt.

Um es klar zu sagen: Grundsätzlich sind solche Umwege, Wechselwirkungen und zeitversetzte Entwicklungen in der Sprachentwicklung denkbar. Sprachen gehen selten einfach von A nach B, um dann zu C und D zu werden. Wie die Gene der Menschen, die sie transportieren, setzen sie sich aus verschiedensten Einflüssen zusammen.



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